Native Vegan

Mein Mann und ich leben nun schon eine Weile vegan. 6,5 Jahre und 7 Jahre genau genommen. Als ich dann schwanger wurde, war für uns klar, dass auch unser Kind von uns vegan großgezogen wird. Dass sie als Native Vegan aufwachsen wird.

Und zwar nicht, um ihr unsere Ansichten aufzuzwingen.

Sondern um ehrlich zu ihr sein zu können, um ihr eine echte Chance auf eine freie Entscheidung zu ermöglichen. Denn Menschen können sich nur wirklich frei für oder gegen etwas entscheiden, wenn sie die dazugehörigen Hintergründe kennen. Und vor allem in der Lage sind, diese auch zu verstehen.

Kinder lieben Tiere.

Und jedes Kind würde sofort anfangen zu weinen und zu protestieren, wenn es sehen müsste/wenn es (wirklich) wüsste, was mit den Tieren passieren muss, wenn man sie essen will.

Doch in unserer Gesellschaft erfahren die wenigsten Kinder die (ganze) Wahrheit hinter tierischen Produkten. Sie essen die Sachen, die Mama/Papa/Oma/Opa/… ihnen vorsetzen. Ohne auch nur den Hauch einer Ahnung davon zu haben, was dahinter steckt. Wie auch? Wie soll ein Kind auf die Idee kommen, dass das Stück Fleisch auf dem Teller mal eine Kuh war – genau so ein wundervolles Tier, wie in den fröhlichen Kinderbüchern, die sie so sehr lieben – oder was der Kuh zustoßen musste, um auf dem Teller zu landen. Oder dass für das Glas Milch ein Kälbchen erst seiner Mama entrissen und kurze Zeit später brutal getötet wurde.

Unsere Kinder wachsen in einer Gesellschaft auf, deren Umgang mit Tieren gegensätzlicher nicht sein könnte. Wir bringen ihnen bei, Hunde und Katzen zu lieben. Ja, sogar das kleine ‚Schweinchen Babe‘ aus dem Fernsehen. Oder die niedlichen Kühe im Bilderbuch oder das Kuscheltier-Schäfchen. Während wir ihnen zur gleichen Zeit ermordete Tiere auf den Teller legen, ohne dass sie es (wirklich) wissen und verstehen.

Unsere Kinder kommen unschuldig und reinen Herzens auf diese Welt. Und sie würden niemals wollen, dass ein Tier für sie leidet und stirbt. Selbst die meisten Erwachsenen möchten darüber nicht wirklich nachdenken. Doch wir verheimlichen den Kindern die Wahrheit und in meinen Augen ist das ein ganz schlimmer Verrat an ihrer Unschuld. Sie werden älter und tierische Produkte zu essen (ohne wirklich groß darüber nachzudenken) wird zur Normalität. Und es wird so sehr zur Gewohnheit, dass sie selbst gar nicht merken, dass sie gar keine Ahnung haben, was alles dahinter steckt.

Was meint ihr, wievielen Menschen ich in den letzten 7 Jahren begegnet bin, die tatsächlich dachten, dass eine Kuh grundsätzlich immer Milch gibt. Und dass sie daher ja gemolken werden muss. Erwachsene Menschen, die aufgrund unserer gesellschaftlichen Erziehung nie von allein auf die Idee gekommen wären, dass eine Kuh auch ‚nur‘ ein Säugetier ist. Und dass sie – wie wir selbst auch – aus diesem Grund auch nur Milch gibt, wenn sie zuvor ein Kind bekommen hat. Ganz zu schweigen davon, was dann mit dem Kälbchen passiert.

Wir möchten, dass unsere Tochter die Wahrheit kennt. Dass sie weiß, was es mit tierischen Produkten auf sich hat und was für Prozesse dahinter stehen. Darum haben wir sie von Anfang an vegan groß gezogen.

Zu Beginn mussten wir das einfach für sie als Native Vegan entscheiden, weil sie noch zu jung war, um es ihr zu erklären. Und uns veganen Eltern wird daraus dann immer gern ein Strick gedreht. Obwohl alle Eltern am Anfang alles für ihre Kinder entscheiden. So wie nicht vegane Eltern ihren Kindern tote Tiere unterjubeln, ohne sie zu fragen, ob sie das denn wollen.

Als unsere Tochter 2,5 Jahre alt war, hat sie mich zum ersten Mal gefragt, warum sie im Kindergarten oft etwas anderes bekommt als die anderen Kinder. Das war der Moment, ab dem wir mit ihr ins offene Gespräch gegangen sind. Wir haben die Informationen immer ihrem Alter angepasst, aber niemals gelogen. Ich habe ihr als erstes erklärt, dass eine Kuh nur Milch gibt, wenn sie ein Baby hatte. Und dass man ihr das Baby dann wegnimmt. Zu wissen, wie traurig sie selbst wäre, wenn man uns beide trennt, hat für sie damals völlig ausgereicht, um zu verstehen, warum wir das nicht unterstützen möchten. Und ob ihr es mir glaubt oder nicht, von da an hat sie gefragt, ob etwas vegan ist oder nicht, wenn sie etwas angeboten bekommen hat. Mit steigendem Alter hat sie weitere Fragen gestellt und wir konnten sie nach und nach immer umfassender aufklären.

Sie möchte nicht, dass Tieren weh getan wird, dass sie krank sind, dass Babys von ihren Mamas getrennt werden und dass Tiere getötet werden. Und ich bin sicher, dass es allen Kindern so gehen würde, wenn man es ihnen nicht von Anfang an verschweigen und ihnen dadurch nach und nach (sicher auch unwillentlich) ihr Mitgefühl für manche Tiere aberziehen würde.

Unsere Tochter kennt bei Weitem noch nicht alle Fakten. Aber sie ist auch jetzt schon aufgeklärt genug, um für sich selbst zu entscheiden. Selbst wenn wir wollten, hätten wir ja gar keine Möglichkeit, sie diesbezüglich durchgehend zu kontrollieren. Sie isst in der Woche täglich 2-3 Mahlzeiten in der Kita, wo sie die einzige Veganerin ist. Sie hätte genug Möglichkeiten, dort unvegan zu essen. Doch sie möchte es nicht. Sie lehnt von sich aus ab. Und auch der Wunsch, beim Mittag nicht mehr zusehen zu müssen, wie die anderen Kinder Tiere essen (ihre Worte) kam von ihr allein. Ohne dass wir jemals mit ihr darüber geredet haben.

Für unsere Tochter gibt es keinen (anerzogenen) Unterschied zwischen ‚Haus-‚ und ‚Nutztieren‘ oder anderen Tieren. Für unsere Tochter sind sie alle (fühlende) Lebewesen, die einfach ein Recht auf ihr Leben haben, genau wie wir auch. Und sie muss als Native Vegan nicht mal alle Tiere mögen, um dennoch Respekt vor ihren Leben zu haben. Sie findet Spinnen zb. gruselig und trotzdem möchte sie nicht, das der Spinne etwas passiert und bittet uns, sie raus zu bringen.

Und genau darum geht es: Respekt vor dem Leben. Wir sind nicht der Herrscher der Welt. Wir sind Bewohner dieser Erde, genau wie alle anderen Lebewesen auch. Die Tiere sind mit uns hier und nicht für uns. Und deswegen halten wir uns an die goldene Regel „Was du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch KEINEM anderen zu!“. Deshalb ist unsere Tochter eine Native Vegan.