Der nachfolgende Text gibt lediglich unsere ganz persönlichen Erfahrungen, Gedanken und Gefühle in Bezug auf die Geburt unserer Tochter wieder. Er erhebt zu keiner Zeit irgendeinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Es handelt sich um einen sehr persönlichen, privaten und detaillierten Geburtsbericht unserer Hausgeburt, den ich dennoch mit voller Überzeugung veröffentliche. Ich möchte den vor allem in TV und Film oft dargestellten, meist eher Angst machenden Bildern und den leider oft verbreiteten ‚Schauergeschichten‘ ein weiteres positives, angst- und nahezu schmerzfreies Beispiel entgegen zu setzen. Und ich möchte andere Frauen ermutigen, an sich zu glauben und auf ihren Körper zu vertrauen. Das soll natürlich nicht heißen, dass es nicht auch negative Erlebnisse diesbezüglich gibt, obwohl die Frauen zuvor mit einem positiven Bild in die Geburt gegangen sind.


Es ist der 27.01.2014 gegen 4:00 Uhr nachts, als ich von ziemlich regelmäßigen Wellen geweckt werde. Ich hatte in den vergangenen Nächten schon ab und an Vorwehen, aber diese Wellen sind anders. Natürlich bin ich nicht sicher. Ich habe ja keine Ahnung, wie es sich anfühlt, ein Kind zu bekommen, aber irgendwie habe ich direkt dieses „Jetzt ist es so weit. Es geht los!“-Gefühl.

Ok, es war tatsächlich ja auch jeden Moment zu erwarten. Immerhin befinde ich mich bereits bei 41+2. Und auch der Geburtspool steht schon seit ein paar Tagen vor unserem Bett und wartet auf seinen Einsatz. Aber genau wissen kann ich es natürlich nicht. Und darum lasse ich auch meinen Mann vorerst in Ruhe weiter schlafen und stoppe erst einmal nur für mich die Zeit. Eine halbe Stunde mache ich das so. Da die Wellen in diesen 30 Minuten schon alle 5-8 Minuten kommen, informiere ich kurz meinen Mann und lasse ich mir für den ‚ultimativen Test‘ ein schönes warmes Bad ein. Denn meine Hebamme hat gesagt, dass die Wellen im warmen Wasser weggehen würden, sofern die Geburt doch noch nicht ansteht. Allerdings gehen meine Wellen nicht weg. Im Gegenteil: sie werden mehr. Ich liege also einfach gemütlich in der Wanne und stoppe weiter die Zeit…

Kurze Zeit später kommt auch mein Mann ins Bad, bringt mir etwas zu essen und zu trinken und übernimmt die Stoppuhr. Und so liege ich bestimmt 2 Stunden in der Wanne und genieße die Wärme. Die Wellen bleiben in der Zeit konstant. Darum schicke ich eine erste kurze Nachricht mit den gestoppten Zeiten an meine Hebamme Judith. Ich sage ihr, dass es mir gut geht und dass ich mich sehr wohl fühle. Judith freut sich sehr über diese Nachricht und rät mir, noch ein wenig zu schlafen und Kraft zu tanken. Sobald ich das Gefühl habe, dass ich sie bei mir brauche, soll ich ihr Bescheid geben.

Also steige ich aus der Wanne und lege mich noch einmal ins Bett. Da wir nicht wissen, wie anstrengend der heutige Tag für uns wird, bitte ich auch meinen Mann, sich noch einmal hinzulegen und Schlaf zu tanken. Ihm gelingt das ziemlich schnell, mir nicht. Die Wellen kommen nun schon alle 5 Minuten und sind auch deutlich stärker, so dass ich einfach nicht mehr einschlafen kann. Und so ziehe ich mir meinen kuscheligen Bademantel über meinen Schlafanzug und gehe hinunter ins Wohnzimmer. Ich schalte den Fernseher an und räume nebenbei die Küche auf. Das lenkt ab und außerdem fühle ich mich wohler, wenn es nicht aussieht wie bei Hempels…

Immer, wenn eine neue Welle kommt, stütze ich mich irgendwo ab und atme konzentriert und fokussiert. Ab und zu muss ich auch schon etwas tönen und ’singe‘ ein langes „Aaaaaaaahhhhhhhh…“. Bis kurz nach 9:00 Uhr vertreibe ich mir unten die Zeit. Die Wellen kommen nun schon alle 3-4 Minuten und sind noch einmal stärker geworden. Darum entscheide ich, mir noch einmal ein Bad einzulassen. Das warme Wasser tut mir einfach gut und hilft mir, die Wellen besser anzunehmen. Mein Mann hat nun auch ausgeschlafen und leistet mir im Bad Gesellschaft. Immer wenn eine neue Welle kommt, massiert er meinen Rücken und schüttelt mir die Pobacken. Ja, das klingt irgendwie seltsam, aber es hilft tatsächlich super dabei, die Wellen zu veratmen. 

Es ist gegen 10:00 Uhr als ich merke, dass meine Hände vom vielen tiefen Atmen kribbelig und meine Beine irgendwie schwer geworden sind. Da mich das ein wenig verunsichert, rufe ich Judith an und bitte sie, vorbei zu kommen. Mein Mann nutzt die Wartezeit, um eine kleine Runde mit unseren Hunden zu drehen. Er informiert auch seine Mama darüber, dass er heute nicht vorbei kommen wird. Sie wundert sich zunächst etwas, doch als sie versteht warum, muss sie am Telefon direkt ein bisschen weinen. Auch ich sage in der Zeit meiner Mama Bescheid, dass sie vermutlich heute noch Oma wird. Natürlich ist auch sie direkt total aufgeregt.

Gegen 10:30 Uhr kommt Judith dann bei uns an. Da ich immer noch in der Wanne liege und in Ruhe meine Wellen veratme, richtet sie erstmal unser Schlafzimmer her. Sie bezieht mit der Hilfe meines Mannes unser Bett neu und stellt überall im Zimmer Kerzen auf. Ich freue mich total, als ich aus der Wanne komme und die Vorbereitungen im Schlafzimmer sehe. Und dann laufe ich einfach erstmal eine Weile im Schlafzimmer auf und ab. Immer, wenn eine Welle kommt, stütze ich mich irgendwo ab und lasse mir von meinem Mann den Rücken massieren. Wenn er gerade einmal nicht schnell genug zur Stelle ist, kommt Judith fast unbemerkt herbei und übernimmt. Ich finde es so großartig, wie fast unbemerkt sie im richtigen Moment zur Stelle ist. 

Es ist ungefähr Mittag als Judith mich fragt, ob ich denn mal wissen möchte, was die Wellen bisher so bewirkt haben. Der Gebärmutterhals ist nun komplett verstrichen und der Muttermund 1,5cm geöffnet. Das sind natürlich schöne Nachrichten und wir freuen uns zu Dritt um die Wette.

Da Judith noch einen Termin hat, fragt sie, ob es für uns ok wäre, wenn sie noch einmal kurz verschwindet. Sie schlägt vor, dass wir in der Zeit einfach das schöne Wetter nutzen und noch eine kleine Runde spazieren gehen. Es ist nämlich wirklich herrlich draußen. Der schönste Wintertag: blauer Himmel, Sonnenschein und Schneefall. Friedlicher könnte es kaum sein. Also mummeln wir uns dick ein, schnappen uns die Jungs und machen uns auf eine kleine Gassirunde. Wann immer ich eine neue Welle bemerke, halte ich mich an irgend einem Zaun fest. So veratme ich die Wellen und töne vor mich hin. Mein Mann massiert dabei mittlerweile schon ganz automatisch meinen Rücken und Po. Für vorbeifahrende Autofahrer geben wir sicher ein etwas skurriles und auch lustiges Bild ab. 

Als wir wieder zuhause eintreffen, machen wir es uns auf der Couch gemütlich und stoppen wieder die Wellen. Sie kommen mittlerweile nur noch alle 6 Minuten, sind dafür aber viel stärker. Mein Mann hält die ganze Zeit meine Hand und ich vertöne jetzt voll konzentriert. Judith hatte uns zuvor schon gesagt, dass das gut ist, weil die Wellen so viel mehr erreichen würden. Also freuen wir uns! 

Es ist kurz nach 15:00 Uhr als Judith wieder bei uns eintrifft. Sie hat auf dem Weg noch Zutaten für eine Kraftbrühe gekauft und macht sich jetzt direkt ans Kochen. Mein Mann hilft ihr dabei und so liege ich allein auf der Couch und versuche bestmöglich, die Wellen zu veratmen. Allerdings scheint unser sonst so zappeliger Schrödi zu bemerken, dass es mir allein nicht so gut gelingen will. Er legt sich kurzerhand ganz nah neben mich auf die Couch. Ich darf mich bei jeder Welle an ihm festhalten und in sein Fell atmen. Und es hilft mir unglaublich. Dieser Moment ist wohl einer der innigsten überhaupt zwischen uns beiden und ich bin sehr dankbar für Schrödis Hilfe. 

Nun ist auch die Suppe fertig. Mein Mann kommt zum Händchen halten zu mir auf die Couch. Und Judith massieret mir den Rücken. Außerdem legt sie mir eine Kette um, an der ein Malachit befestigt ist, welcher für eine gute Eröffnungsphase sorgen soll. Ich weiß nicht, ob es wirklich hilft. Aber ich finde diese Geste so schön, dass es mir allein dadurch gut tut. 

Nun muss ich aber erstmal auf die Toilette. Irgendwie ist es total gemütlich dort. Das Waschbecken befindet sich beim Gästeklo nämlich so nah an der Toilette, dass ich mich bei jeder Welle total gut aufstützen kann, ohne aufstehen zu müssen. Sehr praktisch.

Und während ich es mir also auf Toilette irgendwie gemütlich mache, hängen mein Mann und Judith im Wohnzimmer alle Fenster mit Stoffbahnen ab, damit es auch dort gemütlicher und privater ist. 

Als ich wieder im Wohnzimmer auftauche, schlägt Judith vor, noch einmal zu gucken, was sich mittlerweile getan hat. Nach einer kurzen Untersuchung teilt sie uns mit, dass der Muttermund nun schon ca. 6-8cm geöffnet ist. Wir freuen uns wahnsinnig, denn so langsam kommen wir dem Ziel sehr nah. Judith schlägt vor, dass ich nun in den Geburtspool steigen kann, wenn ich möchte und ich finde die Idee großartig. Immerhin hat mir warmes Wasser schon heute morgen so richtig gut getan. Also fängt sie an, das Wasser in den Pool einzulassen. Ich gehe solange zum leichteren Vertönen der Wellen noch einmal auf die Toilette. Leider ist unser Bad oben nicht ganz so ‚geburtstauglich‘ eingerichtet. Mein Mann kniet sich also vor mich hin, damit ich mich an ihm festhalten kann. 

Aber jetzt ist der Pool ordentlich gefüllt und so gehe ich wieder ins Schlafzimmer. Das Licht ist mittlerweile aus und überall brennen Kerzen. Ich steige in den Pool und merke direkt, wie gut mir das warme Wasser tut. Es muss ungefähr 18:30 Uhr sein, glaube ich. Mein Mann setzt sich vor den Pool an meine Seite, damit ich mich weiterhin an ihm festhalten kann. Oh, das tut so gut.

Zwischen den Wellen kann ich im warmen Wasser richtig gut entspannen und wiege meinen Körper langsam hin und her. Es fühlt sich sehr gut an und gibt mir immer wieder neue Kraft für jede nächste Welle. Judith sitzt auch neben dem Pool, beobachtet alles, spricht mir gut zu, gibt Tipps und massiert mir den Rücken.

Sie sagt, dass ich ab jetzt versuchen kann, das Baby mit jeder Welle aktiv ein Stück tiefer zu schieben. Die Geburt unseres Babys steht kurz bevor, das merke ich und so wird es mit jeder Welle anstrengender. Jede neue Welle ist ein wenig stärker als die Vorherige. Ich versuche, die Pausen so gut es geht zum Entspannen und Krafttanken zu nutzen. Dass mein Mann dabei die ganze Zeit an meiner Seite ist und mich hält, tut mir sehr gut. Weil mein Hals vom vielen tiefen Tönen ganz trocken ist, hält Judith mir immer wieder etwas zu trinken hin. Sie macht eine unglaublich gute Arbeit und merkt immer genau, was ich wann brauche. 

Mit jeder neuen Welle töne ich laut und mit Leibeskräften. Es ist irgendwie ‚animalisch‘, ich kann es gar nicht genau erklären. Bei der Vorstellung daran empfand ich zuvor immer Hemmungen und Scham, doch nun kommen diese Laute einfach aus mir heraus. Ganz natürlich, instinktiv. Und es hilft unglaublich gut. Mit jeder neuen Welle schiebe ich unser Baby ein Stück weiter nach unten und plötzlich gibt es einen Knall. Ich weiß gar nicht, ob man diesen Knall wirklich hören konnte, aber ich habe ihn gespürt. Auch mein Mann und Judith haben es mitbekommen. Auf meine Frage, was das jetzt war, antwortet sie, dass nun die Fruchtblase geplatzt sei.

Unglaublich. So lange war sie heile geblieben. Während ich mich also weiter auf die Wellen einlasse, versprüht Judith einen ganz tollen Duft. Im ganzen Raum riecht es zart nach Rosen und Geranien. Der Duft ist großartig und gibt mir irgendwie ein Gefühl von Sicherheit und ist noch einmal eine starke Motivation. Ich weiß gar nicht genau, warum. Mein Mann erinnert sich daran, dass Judith schon einmal berichtet hat, dass sie diesen Duft versprüht, wenn es in die ‚Endphase‘ geht. Dieser Gedanke macht ihn ganz nervös, denn nun weiß er, dass unser Baby gleich da sein wird. 

Dass gegen 20:00 Uhr auch unsere zweite Hebamme Vanessa bei uns eingetroffen ist, habe ich gar nicht bemerkt. Ich war so auf mich und die Wellen konzentriert, dass ich um mich herum fast alles ausgeblendet habe. Judith empfiehlt mir nun, eine etwas andere Position einzunehmen, damit ich noch mehr Kraft bekomme. So kann ich unser Baby mit jeder Welle noch effektiver tiefer schieben.

Mein Tönen wird dabei immer lauter. So kann ich wirklich alle Kraft aus meinem Körper zusammen sammeln und mich total auf die Wellen fokussieren. Judith feuert mich dabei regelrecht an und sagt mir, dass ich es toll mache. Ihre Motivation gibt mir noch einmal mehr Sicherheit und Kraft. Mit jeder Welle merke ich, wie unser Baby immer ein Stückchen tiefer rutscht. Von Vanessa bekomme ich tatsächlich gar nicht so viel mit. Ab und an öffne ich meine Augen und schaue in Vanessas oder Judiths lächelnde Gesichter, die so viel Wärme und Unterstützung ausstrahlen. Es ist einfach nur wunderschön, sie an meiner Seite zu haben. 

Wie bei echten Wellen sind auch die Geburtswellen ein ‚Auf und Ab‘. Während jeder Welle merke ich, wie der Kopf unseres Babys immer ein Stück tiefer rutscht, um dann in den Pausen wieder ein bisschen zurück zu wandern. Ich weiß, dass das ganz normal ist, aber es fühlt sich dennoch ein wenig demotivierend an.

Umso froher bin ich, dass Vanessa während der Wellen Fotos macht. So kann ich mir in den Pausen ansehen, wie viel vom Köpfchen unseres Babys schon zu sehen ist und dass es mit jeder Welle auch etwas mehr wird. Manch einer mag die Vorstellung unter der Geburt fotografiert zu werden vielleicht seltsam finden. Auch ich habe mir das vorher immer ein wenig befremdlich vorgestellt. Doch wir haben uns vor der Geburt dennoch bewusst dafür entschieden. Und nun bin ich froh, denn es ist eine unglaubliche Motivation für mich zu sehen, dass wirklich jede Welle uns unserem Baby näher bringt. 

Immer wieder nutze ich in den Wellen auch die Gelegenheit, um nach dem Köpfchen unseres Babys zu fühlen. Es ist ein unglaubliches Gefühl. Dieser erste Hautkontakt, die ersten Berührungen ohne sich eigentlich schon richtig zu kennen. Ich kann weiche Haare spüren und Judith erzählt uns, dass sie ganz dunkel sind. Es ist das aller erste Detail, das wir über unser Baby erfahren – er oder sie hat ganz dunkle Haare. Ein unfassbar tolles Gefühl.

Und nun geht es in die letzte Runde. Auf Judiths Empfehlung hin wechsele ich noch einmal die Position. Ich drehe mich um und lehne meinen Oberkörper über den Rand des Pools. Mein Mann greift mir unter die Arme und kann mich so richtig gut festhalten. Diese Position ist großartig. Ich kann total viel Kraft sammeln und unser Baby in einer ganz starken Welle weit hinunter schieben. Das Köpfchen kommt zum Vorschein und rutscht nun nicht wieder zurück.

Das ist tatsächlich der einzige Moment während der gesamten Geburt, in dem ich kurz Schmerzen habe. Die Schmerzen verfliegen allerdings sofort wieder, weil ich daran denke, dass es nun so gut wie geschafft ist. Ich weiß, dass mit der nächste Welle der Kopf komplett kommen wird und dass der Körper danach ein Leichtes ist. Dieser Gedanke hilft mir enorm, die Zeit bis zur nächsten Welle auszuhalten.

Und dann kommt sie. Ich nehme noch einmal meine ganze Kraft zusammen und plötzlich ist das Köpfchen unseres Babys geboren. Ein unfassbar großartiges und befreiendes Gefühl, aber irgendwie auch eine etwas ‚außerirdische‘ Vorstellung. Der Kopf unseres Babys befindet sich unter Wasser im Geburtspool während der restliche Körper noch in mir drin steckt. Es ist wirklich irgendwie skurril. Und faszinierend. Und wunderschön. Ich fühle vorsichtig nach dem Köpfchen und auch mein Mann tastet einmal danach und kann ein Öhrchen fühlen. Es ist für uns beide ein unbeschreibliches Gefühl. Im Nachhinein frage ich mich, wie sich unser Baby dabei wohl gefühlt hat. 

Die nächste Welle kommt und ich muss im Grunde gar nichts mehr tun. Unser Baby purzelt regelrecht einfach aus mir heraus – am 27.01.2014 um 21:36 Uhr nach sportlichen 17,5h.

Judith fängt unser Baby unter Wasser vorsichtig auf. Sie bittet mich, mich jetzt langsam nach hinten zu setzen, während sie unser Baby durch meine Beine hindurch nach vorne führt. Es ist irgendwie total verrückt, dass unser Baby dabei immer noch die ganze Zeit unter Wasser ist. Aber natürlich ist das überhaupt kein Problem, solange noch kein Atemzug stattgefunden hat. Trotzdem hat auch dieser Gedanke irgendwie etwas ‚Außerirdisches‘. So eine Geburt mit all den ‚Mechanismen‘, die damit zusammen hängen, ist wirklich einfach nur total verrückt.

Und nun lehne ich am Rand des Pools und starre dieses kleine Wunder durch das Wasser hindurch an. Ich bin irgendwie ein wenig neben mir. Ich komme gar nicht auf die Idee, unser Baby aus dem Wasser zu mir zu heben. Erst als Judith mich daran erinnert, ‚erwache‘ ich aus meiner Faszination und hebe unser kleines Baby auf meine Brust. Judith und Vanessa legen sofort ein paar warme Handtücher über uns und machen auch direkt ein paar erste Fotos. Mein Mann und ich bekommen davon aber nur wenig mit. Wir sitzen wie in einer Blase, nur wir im Kerzenschein. Als mein Mann unser Baby zum ersten Mal sieht, verliebt er sich sofort über beide Ohren. 

Als Vanessa das Schlafzimmer noch einmal verlassen möchte, um etwas zu holen, sitzen plötzlich unsere Jungs vor der Tür. Sie haben die ganze Zeit geduldig unten im Wohnzimmer gewartet, denn eigentlich dürfen sie nicht nach oben. Und obwohl unser Baby gar nicht wirklich geschrien hat, müssen sie gespürt haben, dass es nun soweit ist. Und natürlich dürfen sie zu diesem besonderen Anlass zu uns ins Schlafzimmer kommen und ihr Geschwisterchen begrüßen. Sie sind ganz neugierig und laufen vorsichtig um den Pool herum, um den Neuankömmling ganz genau anzusehen.

Und auch mein Mann und ich sind total fasziniert von diesem kleinen Bündel Mensch mit den langen Fingerchen und großen Füßchen. Und ganz plötzlich fällt mir ein, dass wir ja noch gar nicht wissen, ob unser Baby nun ein Mädchen oder ein Junge ist.  Wir waren so in Gedanken, dass wir noch gar nicht daran gedacht haben. Ich hebe also vorsichtig das Handtuch hoch und siehe da: eine kleine Püppi! Mein Mann hat mir später erzählt, dass er tatsächlich überrascht war. Scheinbar hat er doch irgendwie mit einem kleinen Jungen gerechnet. Aber natürlich hat er sich riesig gefreut. Wir uns beide!

So langsam wird es kühl im Pool und darum helfen Judith, Vanessa und mein Mann mir aus dem Wasser. Die Plazenta muss noch geboren werden. Bisher sind unsere kleine Maus und ich immer noch über die Nabelschnur miteinander verbunden. Ich lege mich auf unser Bett und Vanessa hilft mir, unsere kleine Püppi zum Trinken an die Milchbar anzulegen. Sie macht es auf Anhieb sehr gut. Während wir beide unser erstes Stillen genießen, wird auch die Plazenta geboren. Judith schaut sie sich ganz genau an um sicher zu gehen, dass sie intakt ist. Es ist alles bestens!

Als unsere Kleine mit trinken fertig ist, möchte Judith sie untersuchen. Doch vorerst muss sie einmal sauber gemacht werden. Denn die erste Ladung ‚Kindspech‘, wie der Name schon andeutet schwarz und klebrig, landete direkt auf meinem Bauch und hat uns beide ziemlich eingesaut. Judith wäscht unsere kleine Maus vorsichtig in einer Schüssel in unserem Bett. Sie trocknet sie behutsam ab und zählt zunächst alle Zehen und Finger durch. Sie guckt sich den Bauch und den Rücken an. Und sie misst und wiegt unser Baby ein aller erstes Mal. Wir sind immer noch völlig baff und bestaunen ungläubig dieses kleine Wunder. Nachdem diese erste kleine ‚Untersuchung‘ beendet ist, zieht Judith der Maus einen Body an, den ich als erstes Kleidungsstück rausgesucht hatte. 

Als nächstes ist die Plazenta dran. Da wir eine Lotusgeburt geplant haben, wird die Nabelschnur nicht durchtrennt. Judith und Vanessa waschen die Plazenta dafür gründlich und legen sie auf ein dünnes Handtuch. Danach bestreuen sie die Plazenta auf beiden Seiten mit ganz viel Salz und wickeln sie in zwei weitere Handtücher. Anschließend legen sie das kleine ‚Plazenta-Päckchen‘ ganz dicht an den Körper unserer Maus und pucken beide zusammen vorsichtig in ein kuscheliges Tuch ein. Mein Mann nimmt unsere kleine Maus und ihr ‚Päckchen‘ zu sich und kuschelt ein aller erstes Mal mit seiner Tochter. 

Judith und Vanessa helfen mir derweil beim Aufstehen und führen mich vorsichtig ins Bad. Nun muss ich natürlich noch das ‚Kindspech‘ von mir abschrubben. Vanessa und Judith sind ganz erstaunt, wie fit ich bin, denn ich brauche weder beim Laufen noch beim Duschen ihre Hilfe. Als ich endlich sauber bin, lege ich mich wieder ins Bett, weil auch ich noch untersucht werden muss. Judith und Vanessa gucken, ob auch ich alles gut überstanden habe. Leider muss unsere kleine Püppi gegen Ende der Geburt mit ihrer Schulter ein klein wenig hängen geblieben sein, so dass ich ein paar kleine innerliche Wunden davon getragen habe. Doch das ist nicht weiter wild. Judith betäubt die Wunden und näht sie vorsichtig. Ich gebe zu, vor dem Gedanken, genäht werden zu müssen hatte ich mehr Angst als vor allem anderen. Doch ich bemerke es überhaupt nicht. 

Mittlerweile ist es schon fast 2:00 Uhr. Da sich unsere Mütter nun doch etwas Sorgen machen, rufen wir sie endlich an und schicken auch noch ein erstes Foto. Natürlich sind die beiden frisch gebackenen Omas völlig aus dem Häuschen und auch die Opas freuen sich ganz doll! Der Papa von meinem Mann hat im Garten direkt ein kleines Feuerwerk gestartet, was er extra für diesen Moment aufgehoben hatte. Und meine Mama ist so aufgeregt, dass sie gar nicht mehr schlafen kann. Sie bleibt direkt wach bis sie zur Arbeit muss.

Als Judith mit nähen fertig ist, möchte ich unsere Maus nun endlich auch wieder halten. Mein Mann gibt sie mir schweren Herzens und dann kuscheln wir das erste Mal so richtig miteinander. Judith versprüht direkt noch einmal diesen tollen Duft. Es ist so schön! Und während die Maus und ich unsere erste Kuscheleinheit in vollen Zügen genießen, gibt mein Mann unseren Jungs zu fressen und geht mir ihnen Gassi. Es ist wirklich unfassbar, wie geduldig und lieb die Beiden den ganzen langen Tag über waren. Wir sind unglaublich stolz auf sie!

Judith und Vanessa machen unterdessen Ordnung. Sie waschen Wäsche, hängen sie auf, lassen das Wasser aus dem Pool, bauen ihn ab, räumen das Schlafzimmer auf… Und das alles ganz unauffällig und leise.

Als mein Mann vom Gassigang zurück kommt, erzählt er mir von der gewaschenen Wäsche. Ich frage mich, wann sie das gemacht haben, denn ich habe davon absolut nichts mitbekommen. Sie sagen, dass sie möchten, dass wir uns einfach nur über unser kleines Wunder freuen können. Als alles aufgeräumt ist, gehen sie ins Wohnzimmer und füllen noch ein paar Unterlagen aus. Mein Mann und ich gehen auch hinunter. Es ist erstaunlich, welche Bedrohlichkeit eine alltäglich gewohnte Treppe plötzlich annehmen kann, wenn man sein neugeborenes Baby zum ersten Mal hinunter tragen möchte.

Ich glaube, mein Mann war beim Zusehen noch aufgeregter als ich beim Tragen. Als ich mit unserer Maus im Arm unten ankomme, freuen sich unsere Jungs riesig über uns. Ich gönne mir jetzt erst einmal eine Tasse von der Kraftbrühe, die Judith und mein Mann gekocht haben. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass ich seit einigen Stunden nichts gegessen habe, aber die Suppe schmeckt einfach nur köstlich. 

Mein Mann trägt unsere kleine Püppi durch’s Wohnzimmer, während ich die letzten Unterlagen unterschreibe. Dann verabschieden sich Judith und Vanessa in ihren wohlverdienten Feierabend. Es ist mittlerweile auch schon wieder 4:00 Uhr. So endet der wohl aufregendste Tag unseres Lebens 24h nachdem er begann. Also wünschen wir den frisch gebackenen großen Brüdern eine gute Nacht und gehen mit unserer Maus nach oben ins Schlafzimmer. Wir bauen für unsere Tochter ein kleines Nestchen in der Mitte unseres Bettes. Und nun liegen wir hier, mit unserem Baby in unserer Mitte. Und es ist so wunderschön und gleichzeitig so verrückt. Irgendwie ist alles neu und doch auch schon ein Stück weit als wäre es nie anders gewesen.

Ich bin sehr glücklich, dass die Geburt unserer Tochter im Großen und Ganzen genau so verlaufen ist, wie ich es mir gewünscht hatte. Zuhause, im Pool, bei Kerzenschein, und vor allem als unsere Tochter bereit dafür war. Unsere Jungs waren so lieb und mein Mann hat mich so toll unterstützt! Und Judith und Vanessa waren genau die richtigen Hebammen für uns. Sie waren da, ohne da zu sein! Sie haben in den richtigen Momenten geholfen und trotzdem lief alles so, wie ich es wollte. Ich habe mich zu jedem Zeitpunkt absolut wohl und sicher gefühlt.

Ich werde Judith und Vanessa mein Leben lang nicht vergessen. 


Die Plazenta unserer Tochter hat sich am 5. Tag nach ihrer Geburt durch das natürliche Abfallen der Nabelschnur von allein abgenabelt. In diesen 5 Tagen wurde die Plazenta noch ein paar Mal mit frischem Salz und auch Lavendelblüten bestreut. Der Vorgang der Lotusgeburt war ein sehr reinlicher und geruchsneutraler bzw. in unserem Fall nach Lavendel duftender Vorgang. Die Plazenta samt Nabelschnur haben wir dann im Garten meiner Eltern begraben. Mehr Informationen zur Lotusgeburt gibt es hier.